Nahezu jeder Steuerberater ist auf die Mithilfe von Steuerfachangestellten angewiesen. Sie erledigen Buchführungen sowie Gehaltsabrechnungen und helfen bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen. Natürlich unterscheiden sich die Befugnisse der Steuerfachangestellten von Kanzlei zu Kanzlei, aber grundsätzlich kann man durchaus sagen, dass die Fachangestellten einen wichtigen Teil der Arbeit der Steuerberaterkanzleien verrichten.
Damit das Unternehmen Steuerkanzlei funktioniert und erfolgreich arbeitet, ist es nicht nur wichtig, dass die Sachbearbeiter gut ausgebildet sind, sondern auch, dass der Servicegedanke und die Unternehmensphilosophie von den Angestellten gelebt wird. Dabei ist es ein riesiger Vorteil, wenn man die Mandanten und ihre Besonderheiten kennt. Was hat der Steuerberater davon, wenn er einen fachlich herausragenden Mitarbeiter hat, der sich aber nicht mit der Kanzlei identifiziert und sich gegenüber den Mandanten wie ein „Elefant im Porzellanladen“ verhält?
Gerade kleine Unternehmer legen großen Wert darauf, dass sie vom Steuerberater eine Rundumbetreuung bekommen und möglichst viel „Papierkram“ von ihnen ferngehalten wird. Als Steuerberater mit vielen kleinen Unternehmern als Mandanten ist man Ansprechpartner für fast alles. Das macht den Beruf so abwechslungsreich und spannend. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie man es erreicht, dass sich die Steuerfachangestellten und die anderen Kanzleimitarbeiter mit dem Steuerbüro und ihren Mandanten identifizieren und gewissenhaft im Sinne der besten Lösung für Mandant und Kanzlei arbeiten.
Meiner Meinung nach gibt es nur eine Lösung, die dies wirklich garantieren kann. Es ist die Ausbildung von Steuerfachangestellten in der eigenen Kanzlei. Neben den fachlichen Kenntnissen lernen die Auszubildenden vom ersten Tag an die Mandanten kennen und erleben, wie in der Kanzlei gearbeitet wird und welche Grundsätze gelten. Wenn diese Auszubildenden nach der Ausbildung voll in das Berufsleben starten, kennen Sie sich in der Materie und der Kanzlei schon bestens aus und haben somit einen wirklich hohen Wert für die Ausbildungskanzlei.
Warum die Ausbildung zur Steuerfachangestellten besonders für kleine Steuerkanzleien so wichtig ist, liegt damit auf der Hand. Doch wie sieht es mit der anderen Seite aus? Warum sollte sich ein Bewerber ausgerechnet bei einer kleinen Kanzlei für die Ausbildung bewerben? Ist eine Ausbildung in einem großen Büro nicht deutlich besser, weil sie standardisierter ist und das Unternehmen deutlich mehr Erfahrung mit der Ausbildung hat?
Die Vorteile, die eine Ausbildung in einer großen Kanzlei mit sich bringt, sind nicht von der Hand zu weisen. In der Regel haben große Steuerbüros einen festen Ablauf, den die Auszubildenden in ihrer Ausbildung durchlaufen und in dem sie alle relevanten Bereiche (Finanz- und Lohnbuchhaltung, Jahresabschlüsse, betriebliche und private Steuererklärungen) kennen lernen. Die Auszubildenden haben somit die Möglichkeit, alle Tätigkeiten, die ein Steuerfachangestellter beherrschen muss, in der Praxis kennen zu lernen. Und das genau zu dem Zeitpunkt, in dem es didaktisch am besten in die Ausbildung passt. Auch der Vorteil, dass in der Regel mehrere Auszubildende auf einmal im Büro die Ausbildung absolvieren, ist nicht zu vernachlässigen. So entsteht leichter eine Gruppendynamik und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, was in der Regel dazu führt, dass sich die Auszubildenden wohler fühlen.
Auf der anderen Seite kann dieser standardisierte Ausbildungsablauf Nachteile mit sich bringen, da die Gefahr besteht, dass die Auszubildenden nicht individuell gefördert werden und somit unter ihren Möglichkeiten bleiben. Hinzu kommt die Gefahr, dass die Auszubildenden immer nur kleine Bereiche kennen lernen und später nicht in der Lage sind, einen Mandanten umfassend zu betreuen. Hier wäre es wünschenswert, dass die Auszubildenden bereits in ihrer Ausbildung lernen, das „Gesamtpaket Mandant“ zu betreuen.
In kleinen Kanzleien sieht die Ausbildung zum Steuerfachangestellten oft deutlich anders aus. Es gibt keinen festen, standardisierten Ausbildungsablauf und die Auszubildenden lernen in der Reihenfolge, in der die Arbeiten anfallen. Der große Vorteil liegt darin, dass die jungen Menschen individueller betreut werden. Die Stärken des jeweiligen Azubis werden schneller erkannt und können gezielt gefördert werden. So kann zum Beispiel ein leistungsstarker Auszubildender deutlich schneller an kompliziertere Fälle herangeführt werden und schon früher mehr Verantwortung übernehmen, als es in großen Kanzleien der Fall ist. Auch die eigenständige Betreuung von Mandanten kann bereits während der Ausbildung ein Thema sein.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in großen Kanzleien eher auf bestimmten Positionen ausgebildet und in kleinen Kanzleien mehr Individualität gefordert wird. Während der Ausbildung in einer kleinen Kanzlei wird nicht nur fachliches Wissen vermittelt, sondern auch der Charakter der angehenden Steuerfachangestellten geformt. Die Auszubildenden lernen, wie Sie einen Mandanten behandeln müssen, und sind später erfahrungsgemäß die verantwortungsbewussteren Mitarbeiter. Das stellt ein riesiges Potenzial dar und macht in meinen Augen die Ausbildung in einer kleinen Kanzlei deutlich wertvoller. Dabei sollte man aber nicht über die Risiken hinwegsehen. Individualität bedeutet gleichzeitig mehr eigenständiges Denken und mehr Arbeit – das gilt nicht nur für die Azubis, sondern auch für die Ausbildungsbetriebe. Hier sollte der Ausbilder immer darauf achten, den Auszubildenden als Lernenden anzusehen und sich im offenen Dialog aktiv um die Entwicklung des Azubis zu kümmern.
Melchior Bläse
Betreibt mit einem kleinen Team die Seite steuerazubi.com. Die Seite bietet Erfahrungsberichte sowie Tipps und Hilfestellungen für Steuerazubis vor, während und nach der Ausbildung.
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